Light E-MTB Mondraker Neat R im Praxistest . Neat und Dune - TQ-HPR50 und Bosch Performance Line SX im Vergleich
Manchmal ist das Leben nicht so schlecht.
So ist es der Fall, wenn man von Mondraker eine Testflotte potenter Light-E-MTB-Enduros bekommt, um sich mit den Modellen vertraut zu machen. Es gibt unerfreulichere Aufgaben.
Der Entschluss zum Kauf eines Light E-MTB hat sich bei mir länger angebahnt. Ich bin körperlich fit, komme mit meinem bisherigen Enduro alle Berge gut hoch und fantastisch runter. Ein Full Power E-MTB ist für mich völlig uninteressant: zu schwer und behäbig für viele meiner verblockten Stolper-Trails. Es liegt mir generell auch fern, Zeug durch die Weltgeschichte zu fahren, das ich eigentlich nicht brauche.
Aber es gibt ja nun so etwas:
Das MONDRAKER NEAT
Vergleich NEAT <> DUNE (TQ <> BOSCH SX)
Fazit NEAT und DUNE
Das TQ-HPR50 Antriebssystem
Das Neat R habe ich mir bereits ein paar Wochen vor diesem Vergleich zugelegt. Es ergänzt meine vorhandene "Flotte" um einen Trail/Enduro-Allrounder für den Großteil meines Hobbys "Mountainbiken". Aber zusätzlich soll es mich entlasten: wenn mir mal am Ende die Tour zu lang wird. Wenn die Kunden, die ich guide, fitter sind als ich. Der Antrieb ist mein Backup.
Warum das Neat?
Weil es mich bei ersten Testfahrten sofort als Mountainbike überzeugt hat. Der Umstieg fällt mir leicht, ich fühle mich sofort heimisch und sicher, weil die Geometrie passt und mir von meinem "alten" Enduro her vertraut ist.
Weil es flexibel ist. Ich kann es komplett OHNE Batterie fahren. Die "große" Batterie im Unterrohr wird durch zwei Schrauben gehalten und eine Schnellverschluss-Klappe verdeckt die Einschuböffnung unten vor dem Motor. Mittlerweile bau ich sie in zwei Minuten aus und vier Minuten ein. Dazu gibt es als recht teure Option ein "Range Extender Set" aus einer Zusatzbatterie, einem Verbindungskabel und Fidlock Montagezubehör. Damit kann man nach Erstmontage des Zubehörs jederzeit in wenigen Sekunden die Zusatzbatterie auf dem Unterrohr einklicken.
Daraus ergeben sich folgende Einsatzmöglichkeiten (gewogen):
Mondraker Neat R ohne jede Batterie: agiles Enduro mit 17,2 kg (nur 0,6 kg mehr als meine klassisches Enduro).
Mondraker Neat R nur mit Range Extender, ohne Hauptbatterie: 18,1 kg, 160 Wh,
Mondraker Neat R nur mit Hauptbatterie, 19,1 kg, 360 Wh,
Mondraker Neat R mit beiden Batterien, 20,0 kg, 520 Wh.
Für mich bedeutet das Alles in Summe, ein Rad zu haben, das mir eine große Bandbreite an Nutzungsmöglichkeiten gibt. Die größte Überraschung für mich ist dabei, wie agil und leichtfüßig sich das Rad auch beim Stolperbiken MIT der großen Batterie fährt. Das Gewicht von 19 kg stört mich überhaupt nicht, auch nicht beim langsamen Durchwursteln durch zähe Steinfelder, auch nicht beim Umsetzen in Spitzkehren. Ich bin davon immer noch überrascht bis leicht ungläubig.
Mit dem kleinen Range Extender oder im komplett batterielosen Betrieb ist es nur noch wenig besser.
Bei zwei Guiding-Einsätzen mit 40 und 45 km und ca. je 1000 Höhenmetern habe ich je um die 150 Wh Stunden Strom verbraucht. Ich setze den Motor nur in bestimmten Situationen ein, fahre nicht mit dauerhafter Unterstützung. Diese Momente sind zum Beispiel situatives Guiding, bei dem ich nicht atemlos sein möchte. Oder kurze Sprints nach vorn, um die Gruppe frontal fotografieren zu können, wie hier:
Es gibt ein Konfigurationsdetail an meinem Neat, das mir nicht gefällt, weil es aus meiner Sicht nicht zum Konzept passt:
Das Rad kommt ab Werk mit einer 11-50 Zähne SRAM Eagle Kassette und einem 34 Kettenblatt am Motor. Diese Kombination ist typisch für Full Power E-MTBs - aber hier im Harz auf jeden Fall insgesamt deutlich zu lang übersetzt. Gerade mit dem großen 29" Hinterrad werde ich demnächst auf ein 30er Kettenblatt wechseln. Momentan muss ich bei einigen der steilsten Anstiege zwangsläufig den Motor in kleinster Stufe unterstützen lassen, obwohl ich eigentlich fahren könnte - mir fehlen nur ein bis zwei Gänge.
Super ist, das es mittlerweile auch Direct Mount Kettenblätter für TQ im Zubehörhandel gibt.
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Ich komme jetzt mal zur Sache. Also zur Praxis.
Für mich sehr wichtig ist die Fähigkeit meines Rades, in allen Geschwindigkeitsbereichen agil zu sein. Ich fahre gern schnell und flowig, aber ebenso gern langsam, verblockt, stolperig.
Und auch gern mal verblockt bergauf. Um diese Fähigkeiten zu testen, braucht man auch Leute, die so etwas mögen - und können.
Also schnappe ich mir die Testräder von Mondraker und die passenden Fahrer dazu. Wir fahren in einer vielversprechenden Kombination los, die aber ständig durchgewechselt wird:
Ein Mondraker Neat RR SL mit 360 Wh Batterie fährt erstmal ein Experte für langsame, verblockte und anstrengende Trails - hoch und runter. Das Topmodel der Neat-Reihe mit ASX Reverb und ASX Schaltung ist sogar noch ein Kilo leichter als mein Neat R.
Ich, der gern stolpert UND fliegt, starte mit einem Mondraker Dune XR - dem Topmodel der Dune-Reihe. Das Dune mit Bosch SX Antrieb ist merklich abfahrtsorientierter in seiner Geometrie als das Neat, leider bei vergleichbarer Ausstattung auch immer mindestens ein Kilogramm schwerer. Es liegt damit aus meiner Sicht schon irgendwo zwischen Light- und Full-Power-Bike.
Außerdem haben wir ein weiteres Dune XR und mein Neat R dabei und - noch einen Fahrer, der flowig und schnell deutlich bevorzugt.
Erster Gradmesser ist ein steinige Senke mit S2 Schwierigkeit nach STS - es sind also gewisse Fahrfertigkeiten und eine saubere Linienwahl erforderlich.
Alle Fahrer und alle Räder haben locker die Skills und bewältigen die Schwierigkeit. Aber es zeigt sich ein erster Unterschied. Der Bosch SX Motor des Dune hat Schwierigkeiten, Traktion zu generieren. Beim Anstieg aus der Senke heraus - steil und rutschig - neigen die Räder zum Durchdrehen, wenn das Tempo nicht von vornherein zügig genug ist.. Die Dosierung ist im Vergleich zum TQ-HPR50 des Neat deutlich weniger feinfühlig.
Im Anschluss geht es noch deutlicher zur Sache. Wir nehmen uns den extrem verblockten Trail hoch zum Ottofelsen vor. Es geht um circa 200 Meter Pfad über viele abgerundete Felsen. Richtig herum gefahren, von oben nach unten, hat er direkt am Ottofelsen zwei S3 Stellen und ist sonst komplett S2-Schwierigkeit. Bergab gefahren hat man durch das Gefälle genug Energie, sämtlich Stufen, Blöcke und Senken zu Überwinden. Bergauf ist es eigentlich nur mit Trialtechnik möglich.
Oder eventuell mit der Hilfe durch einen Motor? Wie gefühlvoll lassen sich die Räder bergauf über all die Hindernisse schubsen? "Bergauf-Flow" mit "einfach Durchpedalieren" ist nicht möglich. Man würde ständig mit den Pedalen an den vielen Hindernissen hängen bleiben. Es geht nur mit gutem Timing und eben gefühlvollem Krafteinsatz.
Beide Motoren bieten im kleinsten Unterstützungsmodus, wie er ab Werk konfiguriert wurde, zu wenig Unterstützung. Keiner von uns schafft es, den ganzen Trail komplett durchzufahren. In Abschnitten gefahren ist es machbar.
Also testen wir die Antriebe eine Stufe schärfer. Für das Neat mit dem TQ Motor funktioniert das hervorragend. Die Unterstützung des Motors skaliert hervorragend zur Krafteinbringung durch das Pedalieren. Das Rad verhält sich wie erwartet und klettert auch über große Stufen mit sehr wenig Anlauf.
Beim Dune sieht es leider anders aus. Der normale "Tour" Modus ist nicht zur Auswahl konfiguriert, die nächste Unterstützungsstufe nach "Eco" ist "Tour+". Dieser wurde leider mit deutlich zu viel "Dynamik" voreingestellt - bei jedem Anfahren vor einem Hindernis haut der Antrieb eine ordentliche Amplitude über die lineare Unterstützung dazu. Das Hinterrad dreht fast immer durch. Außerdem merkt man nun die Unterschiede der Räder. Das Dune ist deutlich weniger agil in diesem Terrain, macht mehr kraftfordernde Arbeit nötig, abgesehen von der reinen Antriebskraft.
ERGÄNZUNG
Ich habe mich nach der Tour mit der Konfiguration des Bosch SX Motors beschäftigt und die Unterstützungsmodi angepasst. Als zweiten Modus nach Eco habe ich nun den einfachen Tourmodus aktiviert und bei diesem außerdem die Einstellung für die "Dynamik" deutlich reduziert.
Bei einer weiteren Tour und einem weiteren Test am Ottofelsen-Trail gelang es mir auch mit dem Mondraker Dune, bergauf und bergab durchzufahren. Der Motor ist deutlich gefühlvoller zu fahren, als in der Werkseinstellung, die Mondraker aufgespielt hatte. Ich sehe noch deutliche Vorteile beim TQ50 Antrieb, er unterstützt einfach noch subtiler und berechenbarer. Und es bliebt natürlich dabei, dass Neat ist im Vergleich ganz klar agiler und leichtfüßiger.
Auf den verblockten Trail am Ottofelsen folgt eine kurze Überführung und darauf - maximale Freude in Gestalt des "Bergmannstiegs" und ist natürlich auch ein Trail. Steil, schnell, und, wenn man sich traut, ein Heidenspaß. Der untere Teil führt auf einem Kamm über den einzigen Tunnel der Harzer Schmalspurbahn.
Das Neat ermöglicht das und gibt mir das Gefühl, das es dabei, wie ich, viel Spaß hat. Sicher und flott flitze ich durch die teils engen, steilen und schotterigen Kurven und habe keine Angst, dicht an die Kanten des Kamms zu fahren, dem der Trail folgt.
Dann kommt das Dune. Und hätte ich es bis dahin noch nicht begriffen - spätestens jetzt wüsste ich, wofür das "Super" in "Superenduro" steht.
Das Dune fährt nicht. Es fliegt mit lächerlich hoher Geschwindigkeit. Ich kenne den Bergmannstieg sehr gut und habe ihn schon mit diversen Rädern befahren, aber nie so schnell, wie mit diesem. Und ich bin keineswegs außerhalb meiner Komfortzone unterwegs, alles ist sicher und kontrolliert.
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Für mich war das Neat ganz klar die richtige Kaufentscheidung. Als Ergänzung zu meinem bereits vorhanden Fuhrpark, für neue, andere Aufgaben und Einsatzzwecke - aber auch einfach zum Fahrradfahren. Denn das macht das Neat und so fühlt es sich an. Wie ein ganz normales, fantastisch agiles und sicheres Enduro. Mein neues Rad für - eigentlich alles, was mir Spaß macht und wofür ich gern ein Fahrrad benutze.
Das Dune ist spezieller, mit einem weniger breiten Einsatzspektrum. In seiner Grundcharakteristik entspricht es eher einem hervorragenden Bügelgerät für alles mit Bike- und Trailpark-Charakter - schnell, schneller, flowig, Airtime. Flotte Downhilltracks, steile Enduro-Trails. Je härter, desto besser. Aber eng, stolperig und verblockt macht deutlich weniger Spaß als mit agileren Rädern wie dem Neat. Das Dune fühlt sich im Vergleich immer im Verhältnis noch ein wenig schwerer an, als es der reine Gewichtsunterschied zum Neat vermuten lässt.
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Ein spezieller Grund für meine Entscheidung pro Mondraker NEAT ist der Antrieb. In der glücklichen Lage, schon viele verschiedene Antriebe probiert und verglichen zu haben, hat sich der TQ-HPR50 als "wie für mich gemacht" dargestellt.
Meine Prioritäten sind da sehr klar: ich möchte eine Unterstützung haben, die mir möglichst das Gefühl gibt, OHNE Unterstützung zu fahren. Das wird von den verschiedenen Antriebsherstellern nicht immer so priorisiert. Hier sind wohl die Geschmäcker und Anforderungen verschieden.
Generell misst und berechnet jedes Antriebssystem über verschiedene Ansammlungen von Sensoren, was der Fahrer und das Rad gerade anstellen: wie viel Druck gibt der Fahrer auf das Pedal, wie schnell fährt das Rad, wie hoch ist die Trittfrequenz, fährt das Rad hoch oder runter etc pp.
Aus allen diesen Werten wird eine Summe erstellt und dann je nach dem eingestellten Unterstützungsmodus und unter spezifischer Gewichtung der Sensorwerte, Kraft des Elektromotors zur Kraft des Fahrers addiert.
Zusätzlich werden aber oft passend zu den Unterstützungsmodi besondere Verhalten programmiert. Dafür hat sich mittlerweile die Bezeichnung "Modulation" etabliert.
Bei BOSCH Antrieben wie dem "Performance Line SX" des Mondraker Dune kann ich beispielsweise per App die "Dynamik" anpassen. Damit habe ich Einfluss darauf, wie sich der Motor bei einem Antritt verhält. Theoretisch kann ich festlegen, dass der Motor zwischen her zögerlich und zurückhaltend bis quasi "euphorisch" auf meinen Antritt reagiert. "Dynamisch" beispielsweise bedeutet in diesem Fall, dass der Motor unmittelbar beim Antritt zur Grundeinstellung der Unterstützung zusätzlich noch eine Kraftspitze draufpackt. Das Rad "geht also ordentlich los" und geht nach dem initialen Antrieb auf den normalen Unterstützungswert zurück.
Meine Meinung: dieses Verhalten fühlt sich ein paar Mal "cool" an, kann aber unter Umständen sehr nervig sein, weil die Motorkraft deutlich schwieriger zu dosieren ist. Wie am Beispiel verblockter Bergauf-Trail weiter oben erklärt.
Meine Prioritäten liegen halt eher im Bereich möglichst unaufdringlicher Unterstützung, gute Beherrschbarkeit auch auf langsamen Trail, direktes Ansprechen, leichtes Gesamtsystem.
Das TQ-HPR50 von "TQ-Systems GmbH" wiegt als Gesamtsystem in der Standardkonfiguration aus Motor, Oberrohrdisplay, Lenker-Bedieneinheit und 360 Wh Unterrohr-Batterie nur 3,9 kg. Außerdem entkoppelt der Motor bei Nichtbenutzung hervorragend. Als Ergebnis habe ich hier die am wenigsten aufdringliche Art der Unterstützung, die ich persönlich bei einem Pedelec-Antrieb bisher erfahren habe.
Wie schon beschrieben mag ich auch die hohe Modularität. Zusätzlich zur Flexibilität bei den Batterien kann ich beispielsweise auch die Bedieneinheit am Lenker weglassen und das System rudimentär über den Button an der Oberrohr-Displayeinheit bedienen.
Sehr zufrieden bin ich mit dem Display des Systems. Es sitzt da, wo es aus meiner Sicht hingehört - geschützt im Oberrohr - und zeigt nicht nur gut ablesbar die wichtigsten Informationen (Batteriestand beider Batterien wenn eingebaut und Unterstützungsmodus) sondern zusätzlich auf Wunsch auch:
- rechnerische Restreichweite,
- Geschwindigkeit,
- Trittfrequenz und
- Leistung.
Die Anzeige der Leistung ist definitiv ein "Best Trick" des Systems. Denn: in der oberen Zeile wird mir die tastsächliche aktuelle Leistung angezeigt, die der Motor beimischt. Die untere Zeile zeigt mir die Trittleistung des Fahrers. Beispiele:
Kleine Kritik oder besser Anregung. Naja, eigentlich ein Wunsch...
Ich fahre das Bike auch sehr gern komplett ohne Unterstützung. Und dann möchte ich auch nicht zwangsläufig die Hauptbatterie oder den Range Extender mitschleppen müssen, um den den Komfort des Displays nutzen können.
Als nächste Evolutionsstufe dieses Systems wünsche ich mir deshalb eine integrierte Batterie, welche den sensorischen Teil und das Display versorgt, wenn keine andere Batterie verbaut ist, aber nicht für die Unterstützung benutzt werden kann. Gern auch als kleine Batterie, die ich auf den Anschluss der Hauptbatterie stecken kann, wenn ich diese ausgebaut habe.
Hoffentlich kann ich mit dem Artikel potentiellen Light-E-MTB Käufern ein wenig bei der - potentiell - teuren Entscheidung für oder gegen einen solchen Kauf etwas helfen. Es gibt viele Parameter, die beachtet werden müssen, damit es kein Fehlkauf wird.
Für mich ist die Entscheidung Pro Light sehr klar gewesen und die Alternative war niemals ein Full-Power MTB, sondern es ging nur um "Motor oder Nicht Motor". Und ich bin letztlich glücklicher mit der Entscheidung, als ich es erwartet hätte.
DISCLOSURE / Offenlegung
Das hier dargestellte Mondraker NEAT R habe ich unabhängig von diesem Artikel selbst erworben. Ich bekomme für diesen Artikel keine Zuwendung.
Die weiteren Testräder wurden der Firma Rad Concept zu Schulungszwecken zeitlich begrenzt zu Verfügung gestellt. Das hat keinen Einfluss auf die Beschreibung und Bewertung der Räder und wurde von der Firma Mondraker auch nicht gefordert.